Für viele von uns späteren Matrosen, Maaten und Offizieren der Volksmarine begann unsere "maritime Laufbahn" in der GST-Seesport. Auch ich absolvierte hier während meiner Ausbildung die Lehrgänge inklusive der Befähigung zum Führen von Segel- und Motorsportbooten.
Nun war es in der DDR allgemein üblich, dass alle Werktätigen (und besonders die Lehrlinge) an den Demonstrationen teilnehmen mussten. Unsere Sektion (GST-Seesport Jena Land in Kahla) hatten im Rahmenprogramm eine Knotenbahn aufgebaut, um Interessierten etwas maritime Tradition zu erklären. Somit nahm ich nicht an dem Umzug teil. Dieses brachte mir am Folgetag einen heftigen Rüffel von meinem Lehrmeister ein. Auch meine Entschuldigung, dass ich ja für die GST mit an den Feierlichkeiten teilgenommen hatte half mir nichts -> das wäre ja meine Privatangelegenheit. Erst als einige Tage später in der "Volkswacht" (Presseorgan der SED im Bezirk Gera) nachstehender Artikel erschien, trat mein Lehrmeister mit den Worten: "Na das ist doch gesellschaftliche Tätigkeit, dann bist Du entschuldigt." an mich heran.
Bevor Matrosen und Maate auf den Schiffen eingesetzt wurden, durchliefen sie die Ausbildung an der Flottenschule "Walter Steffens" in Stralsund-Parow. Hier erhielten die Mannschaftsdienstgrade die Qualifikation für den geplanten Einsatz an Bord. Für Matrosen dauerte die Laufbahnausbildung 6 Monate. Für Maate (Unteroffiziere) dauerte die Ausbildung zunächst 12 Monate und wurde mit der Einberufung Frühjahr 1984 auf 6 Monate eingekürzt. Diese lange Qualifikation begründet auch, dass nur Längerdienende an Bord der Schiffe der Volksmarine dienten.
Ein Höhepunkt meiner Ausbildungszeit war die Teilnahme an der Parade zum 35. Jahrestag der DDR am 07.10.1984 in Berlin. Schon mehrere Wochen zuvor begann das Training auf dem Gelände des MHG-18 (Marinehubschraubergeschwader), welches sich unmittelbar hinter der Flottenschule befand. Ein Marschblock bestand aus 144 Mann (12 Rotten zu 12 Mann). Es wurde in Rotte und dann im Block der Vorbeimarsch eingeübt. Ende September wurden wir mit einem Militärzug (Güterwagen mit Kanonenofen - nicht wie heutzutage die Bundeswehr in Bussen) nach Berlin verlegt, um dann im Verbund mit den anderen Waffengattungen auf dem Rollfeld Schönefeld den "letzten Schliff" zu bekommen.
Bitte unser Maskottchen beachten! Das ist ein Seebär und nicht der Berliner Bär.
Ein Brauch, der wohl seit Jahrhunderten mit der Seefahrt verbunden ist, ist die Taufe. Natürlich wurde diese Tradition auch bei der Volksmarine gepflegt, wenn es auch starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Standorten gab (Bordtaufe im Hafen, Arkonataufe auf See) und sich die Rituale im Laufe der Zeit änderten. So gab es Schiffe, auf denen die Offiziere eingebunden waren, auf anderen war die Taufe geduldet und später sogar untersagt. Neben verschiedenen Übungen (Schlauchbootpaddeln, Fender um die Aufbauten tragen und die Schiffsglocke läuten) erfolgte auch eine äußere und innere Reinigung. Wobei auch Nichtschwimmer (ja, die gab es wirklich bei der Volksmarine) ins Wasser mussten, allerdings festgezurrt am David (Schiffskran). Bei der inneren Reinigung gab es den üblichen selbstgebrauten Trunk. Leider wurde teilweise sowohl bei den Aufgaben, die Neptuns Häscher auftrugen, wie auch bei dem Trunk übertrieben, was sicher auch zum Verbot der Bordtaufen beitrug.
Natürlich gab es am Ende der Zeremonie auch eine Taufurkunde.
In Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1980 absolvierte die DDR-Nationalmannschaft ein Training in Zinnowitz auf Usedom. Im Zusammenhang mit diesem Trainingslager besuchte die Mannschaft auch den Volksmarinestützpunkt in Peenemünde und unternahm einen Ausflug auf die Ostsee auf dem Minensucher 314 "Hettstedt" (Projektnummer 89248). Dabei ist dieses Foto aufgenommen worden.
Mannschaft des MSR "Hettstedt" und Fußballnationalmannschaft 1980
Nach dem Olympiasieg von 1976 errang die DDR 1980 die Silbermedaille. Ein sehr achtbares Ergebnis für so ein kleines Land!
Zu den vordringlichsten Aufgaben der Volksmarine im Verbund mit den Warschauer Vertragsstaaten war die Aufklärung der Schiffsverbände der NATO-Seestreitkräfte in der westlichen Ostsee. An verschiedenen vorgezogenen Positionen lagerten Schiffe der Volksmarine und beobachteten die Bewegung der Schiffe und Boote der Bundesmarine und ihrer Verbündeten. Einen Großteil dieser Aufgabe fiel den Minensuchern (MSR) zu. Unabhängig von Jahreszeit und Wetter wurden diese Vorposten ständig besetzt.
Minensucher MSR 334 "Genthin" im Winter 1975/76 auf Vorposten
Zum Jahreswechsel von 1978 auf 1979 war der gesamte Norden der DDR von einem schweren Winter erfasst. Starke Schneefälle legten den gesamten Verkehr lahm und ganze Gegenden waren von der Außenwelt abgeschnitten. Die Versorgung der Bevölkerung erfolgte mit Hubschraubern der Volksmarine, dabei erfolgten 230 Starts unter anderem zur Lieferung von Lebensmitteln. Es wurden aber auch 32 Schwangere in die Kliniken gebracht (Quelle: www.ddr-luftwaffe.de). Die Kälte und die Schneefälle hielten bis zum März an.
Gruppenfoto nach erfolgreich freigelegter Strecke
"Ich war dabei und konnte das eine Foto machen. Leider hatte ich die Achterleine und so bin ich nicht auf dem Zeitungsbild." erzählt Axel Kaiser von dem Flottenbesuch.
19.07.1980 - Besuch des Schulschiffes COMODORE MANUEL AZUETA aus Mexiko in Warnemünde
Anlässlich des 30. Jahrestages der DDR fand neben der großen Parade in Berlin auch eine Flottenparade in Rostock statt. Höhepunkte waren natürlich die Vorbeifahrt der Schiffe und Boote, verschiedene Vorführungen und die Bordbesichtigungen. Neben der in Warnemünde - Hohe Düne stationierten 4. Flottille nahmen auch Einheiten der 6. Flottille aus Peenemünde teil. Hier einige Bilder, die bei der Gelegenheit (heimlich) aufgenommen wurden.
Ein Bild aus Peenemünde dazwischen? Das waren die Marschvorbereitungen ...
Besonders auf See war im Winter die Gefahr der Vereisung hoch. Gischt und eiskalter Wind sorgten schnell dafür, dass sich ein dicker Eispanzer auf dem gesamten Oberdeck bildete. Natürlich wurde dieser so schnell wie möglich wieder "abgeklopft", aber mitunter war die Natur schneller und gerade in Fahrt bildete sich sehr schnell eine dicke Eiskruste auf allen Decksaufbauten und Geräten.
MSR "Hettstedt" (Projekt 89.248, Bordnummer 315) nach Rückkehr vom Vorpostendienst
Jedes Halbjahr wurde ein sogenannter Härtetest durchgeführt, um die körperliche Einsatzfähigkeit zu prüfen. Diese bestand aus mehreren Einzelübungen:
Natürlich wurde auch gefeiert - zum Jahrestag der Indienststellung, Bordtaufe und zu Festen der Patenstädte.
Besatzung des MSR "Hettstedt" in der "Zwiebel" (um 1979)
Auf den Minensuchern der Volksmarine gab es noch keine automatischen Messgeräte für die Wetterbestimmung. So musste jeweils zur Wachübergabe aller 4 Stunden das Wetter "per Hand gemacht" werden. Dazu war es dann notwendig, in den Mast bis zur Signalnock zu klettern und mit Stoppuhr und Windrad die Stärke zu messen. Im Anschluss haben wir an Hand der Wimpel und Flaggen die relative Windrichtung bestimmt. Zurück im Kartenraum wurde aus den gemessenen Daten, Kurs und Geschwindigkeit des Schiffes mittels Vektorrechnung dann die reale Windgeschwindigkeit und Windrichtung ermittelt.
Das war bei normalem Seegang auch kein Problem. Jedoch sobald die See etwas rauer und die Wellen höher wurden, steuerte der Kommandant oft gegen die See, um ein Schlingern zu vermeiden. Dabei hatten die MSR-lang eine unangenehme Angewohnheit. Das Vorschiff wurde regelrecht angehoben, um dann mit voller Wucht in die nächste Welle zu krachen. Dabei wurde jede Menge Gischt hochgestäubt, die der Wind über das gesamte Schiff verteilte. Nicht selten auch so hoch, dass das Wasser über die offene Brücke hinweg bis hoch zum Mast gepeitscht wurde. Mehr als nur ein Mal bin ich mit nassen Sachen wieder herabgestiegen.
Minensucher "Genthin" bei mittlerer See
Zu jedem Landgang gehörte die Landgangmusterung durch den diensthabenden Offizier. Dabei wurde die Sauberkeit der Uniform sowie Rasur und Haarschnitt geprüft. Neue Besatzungsmitglieder wurden zuvor von dienstälteren Matrosen oder Maaten fachlich abgefragt (Aufbau des Schiffes und ähnliches). Ab dem 4. Dienstjahr durfte man in Zivil an Land gehen. Diese Aufnahmen entstanden bei einem Landgang im Rahmen eines Manövers 1979 in Baltijsk. Axel: "In den alten Bunkern lagen noch die Granathülsen aus dem II. Weltkrieg."
Besatzungsmitglieder des MSR "Hettstedt" an der polnischen Ostsee
Besonders für die Schiffe der 1. Flottille war der Hafen von Saßnitz ein wichtiger Stützpunkt. Zum einen konnte hier Abgewettert werden, also Schutz bei schwerer See gesucht werden. Zum anderen wurden Treibstoffe, Wasser und Lebensmittel gebunkert.
Einlaufen in den Hafen Saßnitz, voraus der Fährhafen, steuerbord (rechts) der Fischereihafen
Begegnung im Militärhafen Saßnitz: U-Jäger 234 "Teterow" (Projekt 133.12, Parchim-Klasse) und ein U-Jäger der Flotte der SU (217)
Im Gegensatz zu den Besatzungen, die im Vorpostendienst den Schiffsverkehr und die Bewegungen der NATO-Verbände überwachen mussten, ankerten wir innerhalb der 12-Meilen-Zone. Im Wechsel wachte je ein Matrose darauf, dass der Anker hielt. Ich überprüfte alle 30 Minuten, dass sich die Ankerposition nicht veränderte. Ansonsten war die Ankerwache auf unserem Minensucher verhältnismäßig ruhig. In dieser Ruhezeit haben wir diverse Kleinigkeiten gebastelt. Beliebt war es, Briefumschläge zu gestalten. Wir haben Teile der Seekarte darauf gemalt. Natürlich waren wir Seemänner und zu Seemännern gehören Knoten! Entsprechend haben wir Schlüsselanhänger geknotet. Diese waren klein, benötigten wenig Material und waren - ganz wichtig - schnell in die Hosentasche gesteckt, wenn doch mal ein Offizier zur Kontrolle auf die Brücke kam.
Schlüsselanhänger mit verschiedenen Knoten
Eine beliebte Gaststätte in Wolgast war das Lokal "Vier Jahreszeiten" (Mitte der 1990er Jahre abgerissen). Es gehörte zu den teureren Gaststätten und besonders wenn man ein Mädchen beeindrucken wollte, ging man dorthin - um etwas flambiertes zu bestellen.
Neben dem Neubau der Minensucher und U-Jäger fiel auch die regelmäßige Wartung in das Aufgabengebiet der Peenewerft Wolgast. Entsprechend dem Einsatz wurden für die Schiffe der Volksmarine Werftliegezeiten eingeplant. Neben den direkten Werftarbeitern kamen auch die Mitarbeiter der Zuliefer- und Ausrüstungsbetriebe an Bord. Eine wichtige Rolle spielte dabei der VEB Schiffselektronik Rostock (SER). Hier wurden nicht nur die nautischen Anlagen wie Radar und Bordbeleuchtung produziert, ebenfalls war SER für die Ausrüstung mit der Steuerelektronik der Minenabwehreinrichtungen verantwortlich.
Diese Wartungen erfolgten unter Leitung der Volksmarine, die dann die Schiffe nach einer erfolgten Werkserprobung abnahm und wieder in den regulären Flottendienst stellte. Diese Testfahrten unternahmen Volksmarine und Werft zumeist gemeinsam, damit kleinere Mängel sofort abgestellt werden konnten.
Geräte SR77 und SR82 des SER zur Steuerung der Hohlstabräumgeräte im Leitstand
Angehörige der Volksmarine, der Werft und von SER beim Ausbringen der gewarteten Räumgeräte
Blick backbord achteraus während der Werfterprobung
MSR 312 "Eisleben", Projektnummer 89.234, während der Werfterprobung in Saßnitz
Für die Volksmarine galt der "Zustand der erhöhten Alarmbereitschaft" als Normalsituation. Das bedeutete, dass immer 85 % der Besatzung an Bord sein mussten - es war gerade an den Wochenenden somit viel Freizeit, die gefüllt werden wollte. Bei schönem Wetter war das einfach: Sonnen!!! Die Bilder sind um 1979/80 auf dem MSR "Hettstedt" in Peenemünde entstanden. Vor den Minensucher liegen die U-Jagd-Schiffe vom Typ Hai (Projekt 12.4).
Die Fläche vor der Brücke wurde auch als "Sonnendeck" bezeichnet. Später wurde dort die FASTA installiert.
Die Bekleidung in der Freizeit war "Bord weiß". Für die Matrosen bedeutete das weiße Hose, weiße Bluse. Die Maate hatten zu der weißen Hose eine blaue Bluse.
Der Genosse mit dem freien Oberkörper und der Bord-blau-Hose scheint wohl der diensthabende Maschinist zu sein, bitte die Armbinde an der Bluse beachten. Vermutlich hat er gedacht, dass ihn auf der offenen Brücke keiner sieht. Rechts ist sehr gut die Trageweise von "Bord weiß" zu erkennen.
Bei schlechtem Wetter haben wir ferngesehen, Karten oder Schach gespielt, gelesen oder gebastelt.
Die 666 war nichts diabolisches, nur meine Rest-Tage-Zahl an der ich gerade vorbeigeschippert bin.
April 1975 - Erinnerungsbild des MSR Roßlau (Unterschrieben vom Brigadechef Kapitän zur See Rumpf)
1974: nicht selten wurden ausgediente Seekarten mit Fotos beklebt und überreicht (Stefan diente als Motoren-Maat auf der GENTHIN)
Oktober 1987 - Erinnerungsgeschenk der 8. Erprobungsschiffsabteilung Wolgast
Ein besonderer Tag war jeweils die Entlassung der Besatzungsmitglieder, die ihre Dienstzeit beendet hatten. Die an Bord verbleibenden Matrosen und Maate standen an Deck und winkten den Entlassungskandidaten (allgemein als EK's bezeichnet) nach. Oft wurde dann auch das Typhon geblasen - was dann bei mehreren Schiffen im Hafen recht laut war.
29.04.1982 Warnemünde / 4. Flottille / Minensucher-Mole
Entlassung EK II-87 des MSR "Genthin" in Wolgast am 29.10.1987
Natürlich war es ein besonderer Anlass und es wurden Vertreter der Partnerstädte zum Bordfest eingeladen. Als Erinnerungsgeschenk wurden gern Mappen mit einem Besatzungsfoto und Bildern vom Bordleben übergeben.
Mappe des MSR "WOLGAST", 01.06.1986
Mappe des MSR "GENTHIN", 19.07.1987
Maschinisten des MSR "GENTHIN" bei einem gemeinsamen Ausgang im Winter 1986/87
Zur Ausbildung an Bord gehörten auch regelmäßige Rettungsübungen. Dazu wurden Rettungsinseln genutzt, deren Frist abgelaufen war. Diese Bilderserie entstand um 1980 auf dem Minensucher "WOLGAST".
Gern zeigte sich Prominenz mit den bewaffneten Organen und auch die Offiziere zeigten sich gern mit den prominenten Vertretern aus Politik und Kultur. Besuch des Chefideologen Karl Eduard von Schnitzler um 1980 an Bord der "WOLGAST"
Bordfeste mit Frauen/Freundinnen der Besatzungsangehörigen waren ein wichtiger Bestandteil, um die oft monatelange Trennung zu erleichtern. (MSR "WOLGAST" um 1980)
1977 verweilten Besatzungsangehörige des MSR "NEUSTRELITZ" auf Einladung der Bürgermeisterin in der Partnerstadt.
Auf Kriegsschiffen und besonders auf denen zur Minenbekämpfung ist es notwendig, dass die Besatzung ständig auf die Bekämpfung von Wassereinbrüchen (Lecks) vorbereitet ist. Während kleinere Lecks mittels Keilen, Kissen und Balken abgedichtet werden, wird bei großen Schäden am Schiffsrumpf eine Plane, ein sogenanntes Leckwehrsegel (weil früher aus Segeltuch gefertigt), ausgebracht. Ein kraftaufwendiges und schwieriges Manöver, welches die Besatzung hier übt.
Nach den entbehrungsreichen Tagen auf See freut sich die Besatzung, wenn endlich wieder der Hafen angesteuert wird. An der Ostmole von Sassnitz wird das Anlegemanöver vorbereitet.
MSR WOLGAST: Bilder vom Leben an Bord - im Befehlsstand des Maschinenabschnitts, im E-Werk, in der Kombüse (vermutlich ein heimlicher Mittelwächtet?), in der Mannschaftsmesse (2 x), im Messevorraum
Weihnachten war es immer besonders schwer, wenn man an Bord bleiben musste!